Seit Anfang Juni bin ich wieder Vollzeit im Buero- allerdings mit mehr Flexibilität.
Die Straßen hier in Sydney‘s CBD (Central
Business Distrikt = Zentrales Geschäftsviertel) sind immer noch wie leergefegt,
aber so langsam kehren die Leute zurück.
Ich bin Anfang Februar aus den USA
zurückgekommen und da hatte Australien die ersten 3 Fälle von COVID. Anfang März
hatten wir 100 bestätigte Fälle und die Einreise von Korea, Iran und Italien
waren geblockt.
Am 19 März hat Australien die Grenzen
geschlossen, aber dennoch legte das Seuchen- Kreuzfahrtschiff Diamond Princess in
Sydney an. Das gleiche Schiff lag zur Zeit meiner Kreuzfahrt im Januar schon
vor Yokohama in Japan in Quarantäne. Mehr als 700 Passagiere und Crew würden später
mit einer SARS-COV-2 Infektion bestätigt werden. Vor dem Anlegen hat das Schiff
einen Grippe-Ausbruch an Bord gemeldet und dennoch wurden alle 2700 Passagiere
ohne Gesundheitschecks von Bord gelassen.
Am Sonntag, den 22. März, haben sich tausende
Australier, trotz Anordnung des Social Distazing, am Bondi Beach getummelt und
am folgenden Montag hat unser Premier Minister auf den Tisch gehauen. Das war
eine gute Rede.
Am 25. März wurde Reiseverbot für alle
Australier verhängt und Kontrolle an den Staatsgrenzen eingeführt.
Während der ganzen Zeit haben die Leute wie
die Idioten Klopapier und Nudeln, Konserven, und so weiter gekauft. Es war echt
beängstigend zu sehen was für ein dummes Herdentier der Mensch doch ist und wie
schnell Panik ausbrechen kann!
Die Geschäfte haben Sicherheitsleute angestellt,
die aufgepasst haben, wenn eine neue Palette Klopapier vom Lager ins Geschäft
gefahren wurde, damit die Leute sich nicht kloppen und ein paar „Glückliche“
mit 5 Päckchen davonkamen. Die Kassen hatten automatische Checks und man konnte
zum Beispiel nicht mehr als 2 Konserven auf einmal kaufen. An einem Tag hat die
Frau hinter mir meine Dose Mais für mich gekauft, die ich für mein Chili con
Carne, neben einer Dose Bohnen und einer Dose Tomaten, auch Mais brauchte.
Die Geschäfte haben aber auch morgens eine
Stunde ausschließlich für Rentner geöffnet, damit die in Ruhe einkaufen
konnten.
Leute haben angefangen für ihre älteren Nachbarn einzukaufen und es wurde wirklich viel Hilfe angeboten. Meine alleinerziehende Bekannte hat ihren Job im Reisebüro verloren und vor ihrer Türe standen täglich Carepakete wie Hello Fresh Boxen, eine Tüte mit Einkäufen, eine Flasche Wein, Badeschaum und kuscheligen Bademäntel für sie und ihre Tochter. Und fast alles war anonym abgestellt worden. Das Tier Mensch hat sich solchen Aktionen wieder ein wenig ins bessere Licht gerückt.
Am 25 März wurden die Bevölkerung gebeten,
falls möglich, von zuhause zu arbeiten und auch, falls möglich, die Kinder
nicht zur Schule zu schicken. Die Schulen blieben auf, damit Leute, die nicht
zuhause auf ihre Kids aufpassen konnten, wie z.B. Ärzte, Polizei, etc.,
weiterhin zur Arbeit gehen konnten. Ruby war ein paar Mal in der Schule und fand
es gruselig dort: kaum Kinder, Stille, Spielplätze geschlossen, manche Lehrer waren
in Hypochonder-Modus und bewaffnet mit einer Sprühflasche Sakrotan immer hinter
den Kindern her. Da ich mit dem Bus in die City zur Arbeit fahre (und der ist
immer rammelvoll), habe ich mich schnell dazu entschieden von zuhause aus zu
arbeiten. In meiner Industrie ist das kein Problem, denn wir haben sowieso
schon regelmäßige Videokonferenzen mit allen möglichen Leuten. Ruby blieb zuhause
bei mir und wurde via Google Classrooms unterrichtet. Jeden morgen, vor
Schulstart, lud ihre Lehrerin den Lehrplan für den Tag hoch, zusammen mit Arbeitsblättern,
links und Einladungen zur 2x wöchentlichen Klassen- Videokonferenz. Abends
musste Ruby dann ihre Sachen hochladen und über Nacht, wurden diese von ihrer
Lehrerin nachgeguckt und kommentiert. Ein riesen Job für die Lehrer. Die waren fantastisch!
Ruby’s Viola Tutor unterrichtete auch weiterhin, allerdings via Zoom
(Videokonferenz).
Ich habe die Zeit mit Ruby sehr genossen,
obwohl wir manchmal auch aneinandergeraten sind. Roxy ist weiterhin Vollzeit in
den Kindergarten gegangen, denn dort herrschte eine sehr kontrollierte
Umgebung: kleine Gruppen, man musste die Kids an einer Art Schleuse abgeben und
dort wurde auch sofort Fieber gemessen. An einem Tag hat Roxy beim Abgeben
gehustet und ich musste sie wieder mit heimnehmen.
Am 29. März wurde dann Lockdown verordnet,
nachdem knapp 500 Leute am vorherigen Tag positiv getestet wurden, und 14 Tage
Zwangsquarantäne für Australier, die endlich aus dem Ausland zurückfliegen
konnten. Viele Australier hatten allerdings Probleme mit der Rückkehr und die Regierung
hat dafür so einiges an böser Presse bekommen. Eine Freundin von mir hing mit 2
kleinen Kindern in Peru fest und hat 30000$ aus eigener Tasche bezahlt, um
endlich heim zu kommen.
Gegen Anfang Mai durfte man wieder mit mehr
als 2 Leuten zu einem Anderen Haushalt zu Besuch und die Cafés und Restaurants
durften wieder ein paar Leute bewirten. Ueber die nächsten Wochen wurden die Einschränkungen
weiter und weiter gelockert und ab diesem Wochenende, fing der Schwimmunterricht für die Kids wieder an.
Mein Pendeln mit dem Bus geht auch ganz gut:
auf den Sitzen kleben dicke grüne Punkte, die sagen: Sit here; und der Slogan
ist: „No Dot, no Spot!“ (Kein Punkt, kein Sitzplatz). Die meisten halten sich
auch dran. Ich vermisse es allerdings schon, mehr als eine gute Stunde länger
zu schlafen und im Schlafanzug zum Computer zu schlurfen. Jetzt ist wieder
Make-Up angesagt, Haare kämmen, schick anziehen (momentan ein bisschen
schwierig, weil alle meine Büroklamotten irgendwie eingelaufen sind), Kids
fertig machen, an verschiedenen Stellen abgeben und dann zum Pendlerparkplatz fahren
um dann eine Stunde im Bus hocken. Zum Glück ist es unserem Boss auch bewusst geworden, dass Pendeln
ganz schön zeitaufwändig ist. Wir haben nun mehr Flexibilität und können öfter von zuhause aus arbeiten.
Im Großen und Ganzen kann ich sagen, dass wir die letzten 3 Monate als Familie sehr genossen haben: ich konnte unter der Woche viel mehr Zeit mit meinen Kinds verbringen, abends haben Sompi und ich oder Ruby und ich zusammen gekocht, die Wochenenden waren viel entspannter, weil wir keine Verpflichtungen hatten, wie Schwimmen, Musikschule, und so weiter. Die Straßen waren leer, aber mehr Leute gingen spazieren und die ganze Welt hat sich verlangsamt. Ich glaube, es hat vielen Menschen gutgetan mal einen Schritt zurück zu treten.